Carsten Beck Germaniae München
CORPS - Das Magazin Ausgabe 1/2025
Bomhard (Jahrgang 1961) ist Gründer und Vorstand der SpaceNet AG, einer der ersten Internetprovider Deutschlands. Der für seine unkonventionelle Haltung bekannte Internetpionier engagiert sich seit 30 Jahren für ein freies Internet und die Rechte der Menschen im Netz. Anfang der 1990er-Jahre setzte er sich für die Internetverbreitung in Deutschland ein, 1993 gründete er die SpaceNet, die aktuell 125 Mitarbeiter, drei hochmoderne Rechenzentren und einige Tochterunternehmen hat. Er ist Herausgeber der Bücher World Wide Was? und 25 Jahre Internet in Deutschland und initiierte den SpaceNet Award für Kurzgeschichten und Fotos. Sebastian von Bomhard Sueviae Heidelberg, Isariae ist Diplom-Logiker und Mathematiker.
Was genau künstliche Intelligenz ist, wie sie das Leben an den Universitäten, im Berufsleben und im Corps verändert und wie gut Deutschland dafür gerüstet ist – darüber sprach Sebastian von Bomhard, der deutsche Mr. Internet, mit CORPS.
Lieber Herr von Bomhard, während das Internet vor wenigen Jahren für die damalige Kanzlerin Merkel noch Neuland war, sprechen nun alle von künstlicher Intelligenz (KI) und Industrie 4.0. Welche tiefere Revolution bringt das mit sich?
Das ist eine sehr interessante Frage, die man aber erst in vielleicht fünf Jahren beantworten kann. Es kommen immer wieder Begriffe auf, die angeblich echte Gamechanger darstellen sollen, dann aber nach ein, zwei Jahren wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Denken Sie nur an den 3D-Druck. Der hätte auch unser Leben revolutionieren sollen. Alles wurde 3D-Druck genannt, dabei sind CNC-Fräsen oder Sintertechnik Verfahren, die viel älter sind als der 3D-Druck. Heute hört man kaum noch was davon. Genauso hier: In dem ganzen Paket, das man heute als Artificial Intelligence (AI) beziehungsweise in Deutschland als KI bezeichnet, ist viel Mode und Marketing. Aber es ist sicher auch einiges dabei, das etwas dauerhaft verändern wird und das bleibt.
Was, würden Sie sagen, unterscheidet KI von früheren Automatisierungsschüben oder der Auswertung von Big Data?
Es geht bei KI gar nicht so sehr darum, was die KI produziert. Wichtig ist, wie man sie steuert. Das Entscheidende hierbei ist, dass die KI in der Lage ist, einen menschlichen Satz zu verstehen oder ein Bild zu erkennen. Versuchen Sie das mal mit Siri, die treibt einen ja in den Wahnsinn.
Der muss man klare Befehle geben...
Genau, die kennt ein paar Stichworte, die Sie bringen müssen, damit sie funktioniert. „Lumos“ – dann geht das Licht an. Einer echten KI kann ich sagen: „Es ist ziemlich dunkel hier“, und die KI versteht mich und schlägt von selbst vor, ob ich Licht haben will. Die KI ist im Gegensatz zu Lösungen wie Siri zudem kontextabhängig. Siri fragt mich, wenn ich sage, ich will nach Krailling, welche der drei ich meine. Wenn ich dann sage: „Das mit zwei L“, versteht sie den Satz nicht. ChatGPT konnte das schon in der ersten Version. All das bringt die Mensch-Maschine-Interaktion in allen Bereichen auf einen neuen Level. „Nimm den Kopf des aktuellen Kanzlers und montiere ihn auf ein Pferd, das gerade über den Marienplatz trabt.“ Die KI macht mir daraus ein Video. So etwas zu erzeugen, war technisch zuvor zwar auch schon möglich, aber eher etwas für Spezialisten mit entsprechenden Werkzeugen wie Photoshop oder Videomaker. Das Neue ist also die Schnittstelle, um einen Wunsch oder Auftrag schneller verständlich zu machen. Genau genommen ist also nicht der Output intelligent, sondern die Steuerung. Das ist übrigens häufig bei Innovationen so, dass sie bereits Bestehendes nehmen und neu aufstellen.
Kann man denn KI genau von anderen Bereichen abgrenzen?
Es ist zugegeben ein diffuses Thema. Das liegt auch daran, dass Hersteller aus Marketinggründen Produkte als KI bezeichnen, die streng genommen keine sind. Wir haben uns jetzt den Bereich der Sprachsteuerung angeschaut. Aber es wird auch beispielsweise das ganze Thema des autonomen Fahrens als KI bezeichnet. Viele Menschen denken, so eine komplexe Aufgabe wie das Steuern eines Automobils hat etwas mit Intelligenz zu tun. Meiner Meinung nach ist es das aber nicht. Dort werden große Mengen Daten verarbeitet, und der Computer entscheidet dann regelbasiert. Aber was macht uns intelligent, dass wir Regeln befolgen oder dass wir sie umgehen? Die Intelligenz beim autonomen Fahren liegt ganz woanders: Straßenschilder zu erkennen, Verkehrssituationen richtig zu interpretieren, das sind schon eher KI-Themen.
Mit dem flächendeckenden Einsatz von Robotic in der Industrie sind viele Arbeitsplätze weggefallen, vor allem dort, wo schwer oder monoton gearbeitet wurde. Wird KI nun im Bürobereich die Arbeitskräfte ersetzen, die nicht spezialisiert oder besonders gut ausgebildet sind? Und welche Folgen wird das haben?
Ja, aber das ist immer so, wenn etwas Neues kommt. Denken Sie nur an die Arbeiter, die während der industriellen Revolution in Frankreich die Maschinen zerstören wollten, indem sie ihre Holzschuhe hineinwarfen. Die Schuhe hießen übrigens Sabot und daher kommt der Begriff Sabotage. Aber zurück zur eigentlichen Frage: Als gute Deutsche sehen wir natürlich erst mal die Risiken. Aber tatsächlich steckt doch auch die Chance einer wahnsinnigen Produktivitätssteigerung dahinter. Niemand muss mehr Protokolle führen oder an unsinnigen stundenlangen Meetings teilnehmen. Die KI tippt das dank Spracherkennung von selbst ab und erstellt dann noch eine kurze Zusammenfassung! Angesichts des demografischen Problems ist es doch wunderbar, dass wir künftig viele Aufgaben durch die Maschine erledigen lassen können. Das spart wertvolle Ressourcen. Wir sprechen hier übrigens nicht nur von Anwendungen wie ChatGPT und Co., die in der Büroarbeit viel durcheinanderwirbeln werden. KI wird in allen Arbeitsbereichen Veränderungen mit sich bringen, in der Industrie, der Logistik, dem Vertrieb, im Marketing...
Professor Manfred Spitzer hat im Interview mit Corps geäußert: „KI wird Experten nicht ersetzen, aber Experten, die mit KI arbeiten, werden Experten ersetzen, die das nicht tun – überall.“ Wie genau nutzen Experten KI im Arbeitsalltag? Wie lässt sich das integrieren?
KI ist in erster Linie ein Werkzeug, das man gebrauchen muss. Man muss es aber auch zu gebrauchen wissen. Aber das war ja schon mit Google so, dass man die richtigen Fragen stellen musste, um die passenden Antworten zu erhalten. Im Bereich der KI hat sich mit dem Prompting, also der Art, wie man der KI Fragen stellt, auch ein eigenes Aufgabenfeld entwickelt, bei dem es darum geht, immer mehr aus der KI rauszuholen. Stellen wir uns beispielsweise einen Wissenschaftler vor, der etwas verdeutlichen will. Dazu muss er große Mengen Daten auswerten und dann visualisieren. Das kostet einen im Zweifel mehrere Tage, ohne dass man sich der eigentlichen wissenschaftlichen Aufgabe gewidmet hat, nämlich der Interpretation der Daten. Das kann einem die KI alles abnehmen. Der Experte, der das zu nutzen weiß, wird sich viel mehr mit seinen eigentlichen Themen auseinandersetzen können. Insofern kann ich die Aussage von Professor Spitzer nur unterschreiben.
Der sogenannte Flynn-Effekt beschreibt, dass der durchschnittliche Intelligenzquotient in der westlichen Welt im 20. Jahrhundert gestiegen ist. Seit einigen Jahren stellt man weltweit fest, dass er wieder rückläufig ist. Spötter führen das auf Internet und Smartphone zurück, die Denken vielfach durch Impulshaftes Handeln ersetzen. Wird die Entwicklung durch KI und ChatGPT noch verschärft?
Nein, nein, es ist doch hinlänglich bekannt, dass das an der globalen Erwärmung liegt! Aber Spaß beiseite: Der Gedanke ist interessant, und ich würde auch nicht sofort Nein sagen. Seitdem es das Auto gibt, sind wir auch nicht mehr so gut zu Fuß oder auch nicht mehr so kampffähig, seitdem sich vieles über Drohnen oder andere ferngesteuerte Waffen abspielt. Dennoch denke ich lieber positiv.
Wie würden Sie die Auswirkungen von KI gerade auf das Bildungswesen einschätzen?
Groß – und das ist aus meiner Sicht gut so. Wenn wir von Bildung sprechen, haben wir in weiten Teilen ja gar keine echte Bildung mehr, sondern stumpfes Auswendiglernen von Fakten und dann auch noch Plappern nach dem Mund des jeweiligen Lehrers. Wenn aber das reine Wissen überall und jederzeit verfügbar ist, dann geht es um andere Dinge. Da ist es eine große Chance, sich wieder auf die Methodik zu konzentrieren und dadurch die Schüler viel besser auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorzubereiten.
Eröffnen sich dadurch vielleicht auch Chancen für die Corps? Beispielsweise durch automatisierte Nachwuchskampagnen oder optimierte Bierlieferungen?
Grundsätzlich ja. Ich bin mir auch sicher, dass es in den einzelnen Corps immer mal wieder jemanden geben wird, der etwas in der Richtung programmiert. Die Frage ist auch immer, wie sinnvoll das ist. Natürlich kann die KI die Bierversorgung optimieren. Im Wesentlichen leben die Corps aber von anderen Dingen, für die KI keine zentrale Rolle spielt: lebenslange Freundschaft, den Austausch der Generationen, gegenseitige Unterstützung, Geselligkeit. Das sind alles überzeitliche Werte, die uns über mehr als 200 Jahre erfolgreich gemacht haben – und die auch in den nächsten Jahrhunderten noch attraktiv sein werden. Vielleicht können die Jüngeren den Älteren auf der Kneipe etwas über KI erzählen. Das trägt zur Unterhaltung bei. Aber wesentlich mehr sehe ich darin erst einmal nicht. Vielleicht mit einer Ausnahme: Die Chargenzeit ist sehr kurz und die Übergabe an die nächste Generation manchmal sehr unvollständig. Hier helfen heute Inaktive, aber es spricht nichts dagegen, einen künstlichen Unterstützer zu haben, der über vieles Bescheid weiß, was man sonst erst mühsam aus den Akten ziehen muss, und der noch dazu jedes Semester dazulernt.
Sie gelten ja als Internetpionier. Was mussten Sie dafür tun?
Ich würde umgekehrt fragen: Was hat das Internet gemacht, damit ich auf den Plan gekommen bin? Es war da, aber man konnte es in München nicht wirklich erreichen. Also habe ich dafür 1993 eine Firma gegründet. Als Anbieter für allgemeine Geschäftskunden waren wir im Prinzip die Ersten. Eine meiner frühesten, aber eindrücklichsten Erfahrungen mit dem Internet habe ich übrigens bei einem Studienaufenthalt in den USA gemacht.
Das müssen Sie uns genauer erzählen!
Ich habe Zeit in Pittsburgh an der Carnegie Mellon University verbracht, und dort gab es auf dem Campus einen Getränkeautomaten, dessen Füllstand und später auch Temperatur man über das Internet einsehen konnte. Als ich in Deutschland war, ging das immer noch – 12.000 Kilometer entfernt und durch den Atlantik getrennt. Da wurde mir so richtig klar: Das Internet wird die Welt verändern. Ganz allgemein ist das Internet eine logische Konsequenz aus dem Netzwerkgedanken der 1980er-Jahre. Und die Vernetzung der Netze hat dann dazu geführt, dass das Netz immer größer wurde und proprietäre Einzellösungen zusehends ersetzt hat. Irgendwann hat sich das Internet völlig durchgesetzt. Weil es die einfachste Lösung war und auch die demokratischste, die nicht von Herstellern diktiert wurde.
Es hätte auch europäische Lösungen gegeben, die sich allerdings nicht durchgesetzt haben...
Das lag unter anderem daran, dass im Internet jeder Lösungsvorschläge machen konnte. Und es war immer international, auch wenn die Amerikaner immer wieder versucht haben, das Internet unter ihre Kontrolle zu bekommen. Einzige Voraussetzung für Neuerungen war, dass der Quellcode offengelegt und kein Patent darauf angemeldet wurde. Da haben sich dann einfach ganz schnell gute Ideen evolutionär durchgesetzt, während beim Gegenentwurf ISO/ OSI, der in Europa, vor allem in Deutschland politisch gewollt war, die kommissionellen Definitionen hinterhergehinkt sind. Heute ist von dem ganzen ISO/OSI-Plan nur noch eine valide Sicht auf Netzwerke übrig, also ein theoretisches informatisches Konzept.
Wie gut ist Deutschland in den Bereichen KI, Tech et cetera für die Zukunft gerüstet?
Besser, als Sie vielleicht im ersten Moment denken. Der Übersetzungsdienst Deepl ist beispielsweise ein deutsches Produkt, das weltweit genutzt wird. Es gibt auch verhältnismäßig viele deutsche Techmilliardäre. Unser Problem ist nicht, großartige Visionäre und Unternehmer hervorzubringen. Das gelingt uns in Deutschland immer noch ausgezeichnet. Unser Problem liegt vor allem in der absurd überbordenden Überregulierung in Kombination mit der Situation, dass Sie hier nur sehr schwer das nötige Kapital für solche Projekte bekommen. Hinzu kommt auch noch ein verqueres Unternehmerbild. Wer hier scheitert, bekommt es auch 20 Jahre später noch aufs Brot geschmiert. Anstelle zu sagen: „Er hat es immerhin probiert“ – und im besten Fall daraus etwas gelernt. Viele, die im Tech-Bereich etwas bewegen wollten, sind daher in die USA gegangen.
Das ist der Grund, warum unter den Top-Tech-Unternehmen mit SAP nur ein einziges deutsches ist?
Das ist ja jetzt eher der IT-Bereich, der übrigens stark von Deutschland geprägt wurde, beginnend mit Konrad Zuse. Wir hatten hier eine eigene Computer- und Chipindustrie, die hier entwickelt und hergestellt wurden. Siemens und Nixdorf waren in dem Bereich zwei extrem starke Akteure, die nach der Fusion stark an Bedeutung verloren haben. Ist der Zug nun für Deutschland abgefahren? Denken Sie einfach an Michael Dell: Der hat erst mal auch nichts anderes gemacht, als vorhandene Komponenten zusammenzustellen und mit neuem Design zu versehen. Heute entwickelt Dell vieles selbst und nimmt eine sehr starke Position auf dem Weltmarkt ein. Wir könnten das auch und so in relativ kurzer Zeit wieder aufholen, denke ich. Im Moment fokussieren wir uns aber mit unseren Ressourcen ganz stark auf eine andere Zukunftstechnologie, nämlich erneuerbare Energien. Die große Frage ist, ob sich das mittelfristig auszahlen wird. Wir investieren viel, aber die Früchte ernten oftmals andere.
Bislang waren vor allem Chips die Limitierung für KI. Nun zeigt sich, dass es vor allem die elektrische Energieversorgung sein könnte. Schon im kommenden Jahr sollen drei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf Datacenter entfallen. Sehen Sie hier in Folge der Energiewendepolitik vielleicht einen weiteren Standortnachteil für Deutschland?
Ich möchte keine Lanze für die Energiewende brechen. Aber im Bereich der KI dürfte das kein Standortnachteil sein. Man kann in einer globalisierten Welt seine Rechner ja überall aufstellen. Die KI zu trainieren, das ist relativ energieintensiv, aber das muss man ja nicht unbedingt in Deutschland machen. Die Anwendung wiederum ist aus meiner Sicht unproblematisch. Natürlich würde es nicht schaden, wenn sich die Energiepreise in Deutschland wieder ein bisschen mehr dem internationalen Vergleich stellen könnten.
Sebastian von Bomhard möchte die Dinge lieber positiv sehen. Dazu passend das sonnige Wetter während seines Gesprächs mit CORPS-Redakteur Beck.
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Wir müssen endlich mal aufhören, alles negativ zu sehen. Mit dem Datenschutz haben wir hier etwas erfunden, das ganz einzigartig ist. Die Chinesen hätten das nicht gekonnt, weil es gar nicht in deren Tradition liegt. Die sind es seit über 2.000 Jahren gewöhnt, alles offenzulegen. In einem gewissen Sinn gilt das auch für die Amerikaner. Das ist doch ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal! Es gibt ja auch Leute, die in einem Rechtssystem leben und arbeiten wollen, in dem sie selbst über ihre Daten bestimmen.
Der israelische Historiker Noah Yuval Harari sieht durch die Art, wie wir KI nutzen, sogar die Menschheit bedroht. Können Sie seine Befürchtung nachvollziehen?
Ja, schon. Aber ganz allgemein möchte ich nicht das Zeug rauchen, das er raucht. Er ist halt sehr einseitig und will Bücher verkaufen. Und da ist es schon wieder verständlich, so eine Monotheorie zu bedienen. Die KI hat ethische Implikationen, und es gibt natürlich auch Gefahren. Es kommt darauf an, wie wir sie nutzen. Ich bin eher ein Mann der Ambivalenz. Es gibt Chancen, Risiken, Licht und Schatten, je nachdem, was man halt damit macht. Ganz genauso wie mit Beton: Die Mafia hat Betonschuhe als Anwendungsmethode, und andere bauen damit in Barcelona die Sagrada Familia, die ohne Beton gar nicht denkbar wäre.
Steckt dahinter vielleicht die alte Frage, ob sich der Mensch selbst zum Schöpfer machen will und ob das gut gehen kann?
Ich glaube eher, dass es eine Art narzisstische Kränkung ist. Plötzlich wird der Mensch aus wichtigen Entscheidungen rausgehalten. Wenn man diesen EU AI Act, den europäischen Ansatz zur Regelung von KI, liest, geht es doch hauptsächlich um die Befürchtung, dass ein Computer plötzlich etwas Unbarmherziges macht. Und ich habe auch genug Science-Fiction gelesen, um nicht morgens von einem Roboter verhaftet werden zu wollen, ohne auch nur zu wissen, was ich falsch gemacht habe. Aber worum geht es denn in der Praxis? Darum etwa, dass eine KI Bewerbungen nach gewissen Maßgaben aussortiert. Das macht der Mensch doch genauso.
Also keine Dystopie?
Es gibt immer ein gewisses Unbehagen, wenn etwas Neues aufkommt. Das kennen wir auch aus der Literatur, von E.T.A. Hoffmann über Jules Verne, Isaac Asimov bis zur Science-Fiction des späten 20. Jahrhunderts. Und natürlich wird dann auch immer mit Traditionen und Bekanntem gebrochen. Das ist vielleicht für uns Corpsstudenten besonders schwer. Eine Online-Kneipe ist ja auch nicht das Gleiche wie eine echte. Aber man kann sich doch erst einmal auf Neues einlassen, sehen, was passiert, und dann die Veränderungen beurteilen.
Was bedeutet all das für junge Leute in Deutschland, die jetzt die Weichen für ihr Leben stellen möchten?
Gute Leute werden immer gebraucht, die kann man mit KI so schnell nicht ersetzen. Was nicht heißt, dass man sich nicht mit modernen Entwicklungen auseinandersetzen soll. Aber lieber mehr aus Neugier und weniger aus Angst. Eine große Kanzlei in den USA hat sich ihre Schriftsätze von der KI erstellen lassen und war ganz begeistert, wie schnell und ordentlich das ging. Bis herauskam, dass die KI einfach alle Präzedenzfälle frei erfunden hat. Echte Anwälte werden also auch weiterhin gebraucht. Wie immer im Leben gilt auch hier: Alles wird gut!