von Studenten der Bergakademie bzw. der Montanistischen Hochschule Leoben
Autor: DDDipl.-Ing. Dr.mont. Robert Konopasek, KÖSTV „Glück Auf“ et „Kristall“, Leoben
Viel Feind, viel Ehr
Wahlspruch Georgs von Frundsberg
Ehre beseelt mich vorzudringen, wenn aber Ehre mich beim Vordringen entseelt? Wie dann? Kann Ehre ein Bein ansetzen? Nein. Oder einen Arm? Nein. Oder den Schmerz einer Wunde
stillen? Nein. ... Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? ...Er, der vergangenen Mittwoch starb: fühlt er sie? Nein. Hört er sie? Nein. Ist sie
also nicht fühlbar? Für die Toten nicht. Aber lebt sie Etwa mit den Lebenden? Nein. Warum nicht? Die Verleumdung gibt es nicht zu...
William Shakespeare: König Heinrich der
Vierte. Erster Teil. Ritter Sir Falstaff in der Schlacht.
Ein Toter - hundert offene Fragen
Zitat
Am 26. April des Jahres 1899 (1) (2) starb der Student Emil Januschke nach einem Duell auf Revolver. Am 28. März des Jahres 1914 (2) starb der Student Siegmund Ritter von Karpinsky nach einem Duell auf Pistolen (3).
Heutigentags liegt für uns allgemein die gesellschaftliche Bedeutung der Verknüpfung EHRE-BELEIDIGUNG-DUELL weit in der Vergangenheit und ist somit für viele Personen sachgemäß
nicht mehr gegenwärtig. Für Beschreibung und Verständnis der beiden Duelle ist somit eine kurz zusammenfassende Erörterung des Umfeldes, der gesellschaftlichen Zwänge und der
geltenden Regeln zweckmäßig.
Ehre, Beleidigung, Duell, gesellschaftlicher Zwang und Rechtslage
Zur Definition des Ehrbegriffes mögen im vorliegenden Zusammenhang gelten:
Der Brockhaus, Ausgabe 1996 (4) erwähnt hierzu -„Ehre, im mitmenschlichen Zusammenleben durch Worte und Handlungen bekundete Achtung gegenüber einer Person; das Angesehensein aufgrund einer geschätzten Tugend (guter Ruf). Ehre bekundet die gute Meinung, den <Wert>, den wir uns gegenseitig beimessen", ... und weiter ... „Ehre gilt ... nicht so sehr dem persönlichen Wert eines Menschen als vielmehr seiner Stellung in der Gesellschaft..."
Nach Tremmel (5) hat sich der Ehrbegriff ständig verändert. Aus den sehr umfassenden Betrachtungen seien hier nur kurz erwähnt „... Ehre ... ist das Bewusstsein des eigenen
Wertes und nicht etwa der Reflex fremder Schätzung im eigenen Bewusstsein ..." oder „... die Ehre ist vom Besitz sittlicher Qualitäten abhängig und nicht vom Besitze anderer Eigenschaften, wie etwa Körperkraft und Schönheit. Für das Ausmaß der Ehre ist vielmehr entscheidend, wie jemand die ihm zukommenden Pflichten erfüllt, sodass er umso mehr Ehre hat, je vollkommener und besser er dies tut. Geschlecht und Beruf sind ... für diesen Ehrbegriff ohne Bedeutung ...".
Schmiedel (6), 1992, legt dar „... Ehrenhaftigkeit und soziales Ansehen bedingen soziale Identität, und ihr Verlust bedeutet den sozialen Ausschluss. Durch den exponierten Stand des Adels und des Offizierskorps gewann der Einzelne an Sozialprestige: <man war satisfaktions-fähig>. Die Satisfaktionsfähigkeit war die Voraussetzung für die Teilnahme am Duell... Die gekränkte Ehre - absichtlich oder unabsichtlich, oft leichtfertig herbeigeführt - musste durch ein Duell wiederhergestellt werden, sei es durch Tod oder Verwundung des Beleidigers oder der eigenen Person, wobei Zufall und Waffengeschicklichkeit keine unwesentliche Rolle spielten."
Die Beleidigung, auch als Herabsetzung der Ehre des Gegners zu deuten, hat in der Literatur im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen gefunden.
Das dtv-Lexikon (7), 1999, sagt hierzu „... jede vorsätzliche Kränkung der Ehre eines anderen. Sie kann durch Worte oder Tätlichkeiten erfolgen ..."
Im Brockhaus (4) findet sich „... Die Beleidigung kann sich gegen einzelne Personen, gegen Behörden und gegen Personengemeinschaften richten ..." Tremmel (8) erläutert „... Was als Beleidigung anzusehen war und wie darauf reagiert werden musste um sich seinen Ruf als Ehrenmann zu bewahren war in den Ehrencodices im Detail festgelegt und die Gesellschaft achtete besonders darauf, dass diese Regeln eingehalten wurden ...".
Auf den Wandel des Begriffsinhaltes <Beleidigung> weist Kügler (9) „... Das Gefühl dafür, was Ehre ist und in welcher Weise Ehre verletzt werden kann, ist auch zeitbedingt. Im 19. und zu Beginn unseres Jahrhunderts (d.h. des 20. Jhdts. - Anm. d. Verf.) war das Ehrgefühl von komplizierten gesellschaftlichen Normen abhängig, von ungeschriebenen Geboten, die den Grat zwischen Scherz und Beleidigung schmal hielten..."
Bolgár (10) widmet der Beschreibung der Arten von Beleidigung breiten Raum. Diese Erläuterungen sind für die von uns hier behandelten beiden Duellfälle von besonderer Bedeutung, weil einerseits das Buch von Bolgár (erste Auflage 1880) innerhalb des betrachteten Zeitraumes liegt und weil fernerhin <Der Bolgár> im gesamten Bereich der österreichischen Monarchie als anerkannte Richtlinie galt. Demzufolge ist diesen einschlägigen Erörterungen breiterer Raum zu widmen. „... Wo die Grenze liegt, an der gewisse Handlungen den harmlosen Charakter verlieren und zur Beleidigung werden, ist schwer allgemein festzustellen; es hängt dies in der Hauptsache von der Empfindlichkeit desjenigen ab, gegen den sie gerichtet sind ..." und „... man pflegt drei Arten der Beleidigung zu unterscheiden: <Die Beleidigung schlechtweg oder die einfache Beleidigung> Unhöflichkeit ist keine Beleidigung ...". „<Die Beleidigung durch Beschimpfung> Diese kann sowohl durch Schimpfworte als durch die Beschuldigung schimpflicher Eigenschaften geschehen ..." „<Die Beleidigung durch Schlag> ... Der Beleidigung durch Schlag werden bei uns für gewöhnlich jene Angriffe gegen die Ehre gleichgestellt, welche die moralische Existenz einer Person bedrohen oder in Frage zu stellen geeignet sind, wie etwa die ungerechte Beschuldigung falschen Spieles, des Betruges oder des Diebstahls ...". Für jede Art der Beleidigung war eine angemessene Genugtuung vorgesehen, worauf näher einzugehen ist.
Das Duell, auch als Zweikampf bezeichnet, geht in die weite Frühgeschichte zurück; man denke beispielsweise an die Helden der Ilias. Im Verlauf der Jahrhunderte waren, wie auch bei der Definition des Begriffes <Beleidigung> erwähnt, die Regeln zur Durchführung eines Duells vielen Änderungen unterworfen. Für die zwei hier zur Betrachtung kommenden Duelle interessieren jedoch die einschlägigen Gepflogenheiten des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Nach Brockhaus (11) ist „... Das Duell... ein verabredeter Kampf zweier Personen mit tödlichen Waffen, besonders mit Schuss- oder Hieb- und Stichwaffen, nach vereinbarten oder
hergebrachten Regeln, meist zur Austragung von Ehrenhändeln ..."
Zu den verwendeten Waffen sagt Kügler (12): „... Die Pistole setzte sich schließlich immer mehr durch, da beim Degen- oder Säbelduell der körperlich größere, stärkere und gewandtere Mann eindeutig Vorteile hatte .... Üblich waren anfangs Steinschlosspistolen, später Perkussionspistolen mit glattem Lauf. Gezogene Läufe waren nicht zugelassen und wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts nur in Ausnahmefällen akzeptiert ... Stecher am Abzug waren in keinem Fall erlaubt, Korn und Visiereinrichtung sollten entfernt werden ..."
Nach Bolgár (13) hat der Beleidigte je nach Art der Beleidigung folgende Rechte: „... Bei der einfachen Beleidigung die Wahl der Waffen; bei der Beleidigung durch Beschimpfung die Wahl der Waffen und (der Art) des Duells und beim Pistolenduell der Distanz. Der durch Schlag Beleidigte hat überdies das Recht, sich seiner eigenen (ihm bekannten) Waffe zu bedienen; doch stellt er dadurch dem Beleidiger frei, dass dieser auch eigene (demselben bekannte) gebrauche ..." Weil sowohl das Duell Januschke - Matisz als auch das Duell Karpinsky - Wicherkiewicz mit Handfeuerwaffen ausgetragen wurde, erörtern die weiteren Ausführungen ausschließlich diese Art des Duells. Bolgár führt weiter aus: „... Unter den legalen Duellen gibt es heute sieben Arten des Pistolenduells ..." Da sich die vorliegende Abhandlung auf zwei konkrete Fälle bezieht, wird nur die jeweils zutreffende Duellart erwähnt und kurz beschrieben,
Der gesellschaftliche Zwang und die Rechtslage stellten zumeist unüberbrückbare Gegensätze dar wie die folgenden Ausführungen deutlich erweisen. Im Lauf der Jahrhunderte wurden zahlreiche Gesetze erlassen, die das Duellieren unter strengste Strafe stellten, was aber die Durchführung derselben nicht verhindern konnte.
Tremmel (14) behandelt in seiner Dissertation eingehend diese Verhältnisse. So erwähnt er „... Die strengen strafrechtlichen Bestimmungen in Österreich konnten den sozialen Zwang, die Ehre mit der blanken Waffe zu verteidigen, nicht beseitigen. Es waren ... sowohl im Bereich des Militärs als auch im zivilen Bereich die in Ehrencodices festgelegten und anerkannten Regeln, die das gesellschaftliche Leben bestimmten. Was als Beleidigung anzusehen war und wie darauf reagiert werden musste um sich den Ruf als Ehrenmann zu bewahren war in den Ehrencodices im Detail festgelegt und die Gesellschaft achtete besonders darauf, dass diese Regeln eingehalten wurden ... da sich ein Waffenfähiger mit einer Klage vor Gericht in der Gesellschaft den Vorwurf der Feigheit bzw. der Furcht vor dem Duell bieten lassen musste. Bei Offizieren konnte dies die Entlassung und Degradierung bringen ..."
Schmiedel (15) erweitert „... Das moderne Duell entwickelte sich besonders ab dem 18. Jahrhundert und wurde zu einer <Modeerscheinung>; das heißt, es kam zu so etwas wie einem Duellzwang, um die Standesehre zu bewahren. Die Duelle waren verpflichtend vor allem für Adel und Offizierskorps ..."
Kügler (16) schreibt: „... Es war eine Zeit, als ein unbedachtes Wort, ja ein missverständlicher Blick, eine geringe Unhöflichkeit oder eine - oft nur vermeintliche -Kränkung die bittersten Folgen haben konnte und der <wahre Gentleman> verpflichtet war, in Verteidigung seiner persönlichen Integrität, entweder seinen Widersacher zu töten oder selbst den Tod im Morgengrauen zu erleiden - und sei es nur, um den Erwartungen seiner Klasse Genüge zu tun" und „Die alte Definition vom Offizier und Gentleman ist sicher nicht überholt, aber der Ehrbegriff dieser Gruppe hat sich verloren. Statt eines Zweikampfes, greifen heute Gesetze gegen Verleumdung, Beleidigung, üble Nachrede. Angriffe auf die Ehre eines Menschen gefährden strafrechtlich das Persönlichkeitsrecht und können Schadenersatzansprüche begründen ..."
Eine reichhaltige Literatur (17) (18) (19) beschreibt die Duellregeln für satisfaktionsfähige Studenten, die aber für die Erörterung der hier behandelten beiden Duelle nach all dem oben Gesagten keine wesentliche Erweiterung bringen. Hinsichtlich der wichtigen Rolle der Sekundanten, deren Pflichten und Mitwirkung, sei der interessierte Leser auf die im Anhang angeführte Literatur verwiesen. Da sich die vorliegenden Betrachtungen nicht mit der allgemeinen Beschreibung von Geschichte und Entwicklung des Duellwesens befassen, sondern zwei spezifische Ereignisse aus der Geschichte der Montanistischen Hochschule Leoben betrachten, müssen die vorangegangenen Abschnitte für das Verständnis der folgenden Kapitel genügen.
KONTRAHENTEN
Studienjahr | Januschke | Matisz | Karpinsky | Wiecherkiewicz |
geb. 1873 | geb. 1873 | |||
geb. 1883 | ||||
geb. 1889 | ||||
1895/96 | ordentl. Hörer | |||
1896/97 | ordentl. Hörer | |||
1897/98 | ordentl. Hörer | |||
1898/99 | ordentl. Hörer | ordentl. Hörer | ||
1899/00 | Tod 26.04.1899 | ordentl. Hörer | ||
1900/01 | Abbruch Stud. | |||
1901/02 | ordentl. Hörer | |||
1902/03 | ordentl. Hörer | |||
1903/04 | ordentl. Hörer | |||
1904/05 | ordentl. Hörer | |||
1905/06 | ordentl. Hörer | |||
1906/07 | ordentl. Hörer | |||
1907/08 | ordentl. Hörer | |||
1908/09 | ordentl. Hörer | |||
1909/10 | ordentl. Hörer | ordentl. Hörer | ||
1910/11 | ordentl. Hörer | ordentl. Hörer | ||
1911/12 | ordentl. Hörer | ordentl. Hörer | ||
1912/13 | ordentl. Hörer | |||
1913/14 | ordentl. Hörer | |||
Tod 28.03.1914 | Abbruch Stud. |
(aus dem Matrikelbuch der k.k. Bergakademie in Leoben)
EMIL JANUSCHKE
Herr Januschke wurde am 11. Oktober des Jahres 1873 (20) als Sohn des Karl Januschke in Gündersdorf bei Jägerndorf / Österr.-Schlesien geboren. Nach Besuch der Oberrealschule
sowie dem Ableisten des Militärjahres inskribierte er im Studienjahr 1895/96 als Ordentlicher Hörer (Matrikelschein Nr. 957 (21) an der k.k. Berg-Akademie in Leoben; vgl. das
beiliegende Diagramm „Die Kontrahenten ...". Die Obersteirische Volkszeitung vom 22. April 1899 berichtet (22), dass Januschke Reserveoffizier war. Dieser Umstand mag im
Zusammenhang mit dem Ort des Duells und der Waffenwahl von Bedeutung gewesen sein, wie später erörtert wird.
Von Zeitgenossen (23) (24) wird Januschke als gereifter, entschlossener Mann geschildert. Er war von mittlerer Größe, hatte kräftigen Körperbau und packenden Augenausdruck. Ein kräftiger Schnurrbart zierte - siehe Abb. 1 (25) - sein Gesicht. Allgemein stimmen die Beschreibungen darin überein, dass Januschke eine ausgeprägte Führernatur besaß. Er war für seine Bundesbrüder in mehreren Spitzenpositionen (Chargen), die er sowohl in der Burschenschaft Cruxia als auch im Deutschakademischen Leseverein Leoben innehatte, ein hervorragendes Leitbild. Er erwies sich als geschulter Redner und geübter Säbelfechter, war in breiten Kreisen der Leobener Bürgerschaft bekannt und beliebt.
Abb.1: Emil Januschke. Das von Ritter von Timoni angefertigte Ölbild befindet sich im Hause der Burschenschaft Cruxia, Leoben.
In jenen Zeiten der Nationalitätenkonflikte innerhalb der österreichischen Monarchie vertrat Januschke, wie allgemein und somit auch bei seinen Gegnern bekannt war, eindeutig deutsches Volksbewusstsein. Diese Überzeugung war wohl auch auf seine Herkunft aus Schlesien, damals einem ausgeprägten Spannungsfeld zwischen Deutschen und Slawen, zurückzuführen.
Über das im Rahmen seiner Verbindung vielseitige Wirken gibt die „Geschichte der Leobner akademischen Burschenschaft Cruxia" Auskunft (26). Dieser Chronik entsprechend ist hervorzuheben, dass Januschke, als exponierter Vertreter seiner Verbindung(en), niemals vor Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern zurückscheute.
Exkurs: Für das Verständnis zum Fortgang der Ereignisse muss erwähnt werden, dass zu jener Zeit die Leobener Studentenverbindungen jeweils ein Kaffeehaus oder Gasthaus als
Aufenthaltsort für gesellige Zusammenkünfte reserviert hatten. Im Regelfall war an der Außenwand des Lokals das Wappen des „Hausherren", d. h. der dort verkehrenden Verbindung
deutlich sichtbar angebracht. So frequentierten zum Beispiel die Burschenschaft Leder und das Corps Schacht den „Nordstern". „Greiners Kaffehaus" hatte die Burschenschaft Cruxia
für sich belegt. Eine übersichtliche Schau des Studentenlebens an unserer Alma Mater Leobiensis ist im Artikel „Student in Leoben, Skizzen aus dem Leobener Studentenleben" von
L. Jontes (27) gegeben.
Im Studienjahr 1898/99 war an der k.k. Bergakademie Leoben Herr Stefan Matisz als Ordentlicher Hörer inskribiert (28). Er stammte aus Kenyeri in Ungarn, war - ebenfalls wie
Januschke - Reserveoffizier und gleich alt wie dieser. Damit hören jedoch die Gemeinsamkeiten auf. Unter Bezugnahme auf die hier vielfach zitierte „Geschichte der Leobner akademischen Burschenschaft Cruxia" (29), hatte sich Matisz in der Leobener Gesellschaft als Stänkerer und antideutscher Provokateur einen notorisch zweifelhaften Ruf erworben. Am 17. April 1899 saßen Mitglieder der Burschenschaft Cruxia in ihrem Couleur-Kaffee, als ein Bürger an Januschke herantrat und ihn dahingehend unterrichtete, dass Matisz im Vorraum Billard spielte und dies (an diesem Orte - Anm. des Verf.) nicht zu dulden sei. Die Anwesenheit des antideutschen Matisz, ausgerechnet im Kaffeehaus Greiner, kann man, je nach Auffassung als Ignoranz, als überhebliche Gleichgültigkeit, oder - wahrscheinlicher - als gezielte Herausforderung deuten. Januschke forderte Matisz auf, das Lokal zu verlassen. Ein Wortgefecht war die Folge. Schließlich deutete Januschke auf einen Billardstock und drohte an, diesen <deutschen Billardstock Matisz um seinen magyarischen Schädel zu hauen> sowie Matisz gewaltsam aus dem Lokal zu entfernen.
Exkurs: Der Vorfall im Kaffeehaus Greiner ist nach den Duellregeln von Bolgár zweifelsfrei als Beleidigung der zweiten Art (Beschimpfung), wenn nicht direkt in die Nähe der
dritten Art (Schlag) anzusiedeln. Unter satisfaktionsfähigen Reserveoffizieren mit ihrem ausgeprägten Ehrenkodex war nach so einem Zwischenfall die Forderung zum Duell eine
logische Folge. Hier hätten nur Vermittlungsversuche durch die Sekundanten das Ärgste, z. B. durch eine gegenseitige Entschuldigung der Kontrahenten, verhindern können. Die
vorliegenden Quellen geben über derartige Bemühungen, die - weil zu den Pflichten erfahrener Sekundanten gehörend (30) - gewiss stattgefunden hatten, keine Auskunft. Man darf
also annehmen, dass die Duellgegner einen Ausgleich ablehnten. Fernerhin - und das ist im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - hatte Matisz als <Beleidigter> das Recht auf
die Wahl der Waffen und der Art des Duells (vgl. weiter oben die Definition des Begriffes <Duell>).
Matisz, in dessen militärischer Konduitliste (Betragen, Führung - Anm. d. Verf.) angeblich der Vermerk stand „Besondere Eignung als Pistolenschütze", stützte sich wohl auf diese
„besondere Eignung", als er auf Handfeuerwaffen forderte. Januschke war wie o.a. „geübter Säbelfechter" und hatte die Verwendung von Schusswaffen mehrfach abgelehnt, umsonst -
es blieb bei der Forderung auf Handfeuerwaffen.
Exkurs: Wie im Abschnitt „Duell" erwähnt, wurden im Regelfall für den Zweikampf als Handfeuerwaffen Vorderlader-Pistolen mit glattem Lauf sowie ohne Zielvorrichtung verwendet.
Hierdurch sollte wohl die Trefferwahrscheinlichkeit und Schwere der Verletzungen verringert werden. Dass aber, wie tradiert wird (31) (32), Matisz auf die Austragung des Duells mit Armeerevolvern bestand, stellt eine extreme Ausnahmeregelung dar. Hier ist wieder auf die offensichtlich wirkungslose Einflussnahme durch die Sekundanten hinzuweisen, die eine derartige Verschärfung des Waffenganges tunlichst zu unterbinden gehabt hätten.
Die Kontrahenten, Sekundanten und Ärzte begaben sich am 20. April 1899 im Morgengrauen zur Militärschießstätte in Göß. Es wird angenommen, dass dort die beiden Reserveoffiziere
zwei Armeerevolver des Typs Nagant (33), Kaliber 7,62 mm (vgl. Abb. 2) für „Schießübungen" entlehnten.
Exkurs: Und wieder tritt in diesem Zusammenhang eine der zahlreichen offenen Fragen auf. Wenn in diesem Duell tatsächlich anstelle von Duellpistolen der herkömmlichen Art russische Armeerevolver verwendet wurden, erhebt sich die Frage, auf welche Art die Kontrahenten in den Besitz dieser Waffen gelangten. Verfügte irgendjemand privat über zwei gleichwertige Waffen dieses Typs? Haben die Sekundanten im Zeitraum vom 18. bis zum 19. April am Militärschießplatz zwei Nagan - Revolver entlehnt? War der Militärschießplatz am 20. April schon um etwa 5 Uhr morgens mit Personal besetzt, sodass die Sekundanten der Kontrahenten die Waffen entlehnen und dem Kodex ihrer Verpflichtungen entsprechend auf „Gleichwertigkeit" überprüfen konnten?
Wie in der Geschichte der Burschenschaft Cruxia erwähnt (34), wurde ein Abstand von 25 Schritten für die Standorte der Gegner ausgemessen. Dies würde nach Bolgár etwa den Regeln für „das Pistolenduell mit festem Standpunkte und freiem Schusse" entsprechen (35). Um etwa 5.45 Uhr hatte der Zweikampf sein tragisches Ende gefunden.
Abb.2: Ein russischer Armeerevolver des Typs Nagant, Kaliber 7,62 mm.
Der erste Schuss von Matisz verfehlte sein Ziel, der zweite Schuss des Ungarn traf Januschke oberhalb des linken Auges, er sank zusammen, kam aber sofort wieder zur Besinnung.
Als Matisz seinem Gegner die Hand zur Versöhnung reichen wollte, lehnte Januschke dies ab. Das Ende des erschütternden Geschehens fand am 26. April im Stephanie-Spital in Leoben statt. Emil Januschke war nicht mehr.
Bei dem Begräbnis am Zentralfriedhof von Leoben gab, wie in den Tageszeitungen (36) (37) (38) sowie der Geschichte der Burschenschaft Cruxia (39) detailliert aufgezählt, eine große Anzahl von Trauergästen dem Verblichenen die Ehre. Auf eine ins Einzelne gehende Nennung der einzelnen Verbindungen, Vereine usw. wird hier verzichtet. Jedoch soll die folgend gruppenweise Zusammenfassung einen Eindruck davon geben, welchen Grad der Wertschätzung der Verstorbene in der Studentenschaft sowie bei den Bürgern Leobens besaß und dass im Angesicht des Todes die Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten unter den Vertretern der verschiedenen Nationalitäten hintan gestellt wurden.
An der Beerdigung und den Trauerfeierlichkeiten nahmen nebst der Burschenschaft Cruxia und Familienangehörigen teil: Der Deutsch-akademische Lese verein Leoben, die Burschenschaft Leder Leoben, das Corps Schacht Leoben, der Waidhofener Verband der wehrhaften Studenten Leoben, der Deutsch-akademische Gesangsverein Leoben, die Polnische Lesehalle Leoben, die Ruthenische Landsmannschaft „Czernohora" Leoben, die Rumänische Studentenschaft Leoben. Fernerhin waren anwesend: Aus Wien Vertreter von 6 Verbindungen, aus Graz Vertreter von 7 Verbindungen, aus Innsbruck Vertreter einer Verbindung, aus Schlesien-Böhmen-Mähren Vertreter von 4 Verbindungen. Dem Toten gaben weiterhin die Ehre: Das Professorenkollegium der k.k. Bergakademie Leoben, zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens sowie Vereine der Leobener Bürgerschaft.
Nachsatz: Die Suche des Verfassers nach Gerichtsakten zu dem Duell Januschke - Matisz im Archiv des Landesgerichtes Leoben sowie in einschlägigen Archiven in Wien und Graz erbrachte keine Unterlagen. Es darf angenommen werden, dass diese Schriftstücke bereits „skartiert" wurden. Es findet sich lediglich in einer Zeitung (40) die kurze Anmerkung ...„Matisz, der nach dem Duell Leoben verlassen hat, konnte bis heute noch nicht ausgeforscht werden". Wie aus dem beiliegenden Diagramm „Die Kontrahenten ..." ersichtlich, hat Matisz sein Studium in Leoben nach dem Duell abgebrochen. Ob eine Verurteilung der Sekundanten erfolgte, ist mangels geeigneten Quellenmaterials ebenso wenig erfassbar.
Abb.3: Das Grab des Emil Januschke, Zentralfriedhof Leoben.
Bei einer Zählung ab 113 v. Chr., als südöstlich von Neumarkt in Noreia die Schlacht der Kimbern, Teutonen (und Ambronen?) gegen die römischen Truppen stattfand, ergibt sich die auf dem Grabstein eingemeißelte Zahl 2012. Aufnahme: R. Konopasek, Juli 2003.
SIEGMUND KARPINSKY
Siegmund Ritter von Karpinsky wurde am 21. Dezember des Jahres 1883 (41) in Dombrowa (ehem. Russisch-Polen) geboren. Wie aus den Matrikelbüchern der Montanuniversität Leoben
ersichtlich (42), inskribierte Karpinsky im Studienjahr 1902/03 als Ordentlicher Hörer an der k.k. Bergakademie Leoben (Matrikelschein 1513) ; vgl. das beiliegende Diagramm „Die Kontrahenten ..."
Karpinsky war zur Zeit der vorliegenden Erörterung seit einigen Jahren (43) mit Fräulein Poldi, der Tochter des angesehenen Leobener Kaffeehausbesitzers Gottfried Steinbichler verlobt (44) (45) und stand 1914 knapp vor der letzten Staatsprüfung (46). Obwohl in der verwendeten Literatur nicht eindeutig erwähnt, darf angenommen werden, dass Karpinsky Mitglied der Polnischen Lesehalle „Czytelnia polska akademików górniczych" (47) war, deren Mitglieder bei Ehrenhändeln Satisfaktion auf Säbel gaben. Wenn man aus dem Aufsehen, das das weiter unten zu schildernde Duell in der Öffentlichkeit erregte sowie aus der großen Teilnehmerzahl am Begräbnis schließen darf, war Ritter von Karpinsky ein geselliger, in Leobener Bürgerkreisen wohl bekannter Student.
An einem der späten Märztage des Jahres 1914 saß Karpinsky mit seinem Landsmann Kasimir Ritter von Wicherkiewicz (48), einem Russisch-Polen aus Wloclawek in einem nicht näher bezeichneten Kaffeehaus beim Kartenspiel. Wie aus den Tageszeitungen (49) (50) ersichtlich, kam es zwischen den beiden Spielern zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Karpinsky sein Gegenüber einen Schuft nannte. Wicherkiewicz forderte daraufhin Karpinsky und nannte diesen ebenfalls einen Schuft. In der Kleinen Zeitung vom 1. April 1914 (51) sind die Gegner abgebildet; vgl. Abb. 4. Wicherkiewicz, geboren 1889, inskribierte an der k.k. Bergakademie Leoben als Ordentlicher Hörer im Studienjahr 1910/11; vgl. Diagramm „Die Kontrahenten ..." Ob die beiden Gegner Reserveoffiziere waren, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht eindeutig belegen. Der Vollständigkeit halber muss hier erwähnt werden, dass in der Presse unterschiedliche Varianten der Beleidigung als Ursache für die Forderung von Wicherkiewicz angeführt sind, worauf hier nicht weiter eingegangen wird.
Exkurs: Nach Bolgár (52) wurde die Beschuldigung des falschen Spiels als Beleidigung der Dritten Art mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen erachtet. Duelle unter den Studenten wurden vorwiegend mit Säbeln ausgetragen, weil aber Wicherkiewicz an einem Herzleiden litt und Karpinsky von einem früheren Zweikampf mit Säbeln (53) eine Verletzung am rechten Daumen hatte, einigten sich die Kontrahenten auf das Duell mit Pistolen (54).
Abb.4: Die Kontrahenten Ritter von Karpinsky und Ritter von Wicherkiewicz. Kopie aus dem Tagesblatt Kleine Zeitung (Graz), L April 1914.
Der Zweikampf fand am 28. März 1914 um 6 Uhr morgens im Glanzgraben bei Bruck an der Mur statt. Zur Verwendung kamen zwei neue Duellpistolen, vgl. Abb. 5. Der Ablauf des Duells war folgendermaßen vereinbart worden: „Glatte Pistole als Waffe (Kaliber 10 mm (55); als Pulverladung 0,75 g für jede Pistole; es sollte auf eine Distanz von 25 Sprungschritten bei fixem Standpunkt der Gegner ein einmaliger Kugelwechsel statthaben und zwar in der Art, dass nach dem Kommando <Feuer> der Kampfleiter „eins, zwei, drei“ zählen und bei jeder Zahl in die Hände klatschen sollte. Nur in der Zeit zwischen dem Kommando „Feuer“ und dem Ende der Zählung dürfte geschossen werden" (56). Karpinsky soll absichtlich in die Luft gefeuert haben (57), erlitt aber eine tödliche Verletzung durch eine Schusswunde an der rechten Kopfseite.
Abb.5: Die Duellpistolen der Kontrahenten R. v. Karpinsky und R. v. Wicherkiewicz.
Kaliber 10 mm, glatter Lauf, keine Zielvorrichtung. Vitrine im Museum des Institutes für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung. Karl-Franzens-Universität, Graz. Aufnahme: R. Konopasek, Okt. 2003.
Der Duellarzt Dr. J. Grillitsch ordnete die Überführung des Verletzten in das Stephanie-Spital Leoben an, was mittels eines bereitstehenden Wagens erfolgte.
Im Spital erlag Karpinsky seiner Verletzung und wurde am Zentralfriedhof Leoben begraben; sein Grab ist in Abb. 6 dargestellt. Am 31.03.1914 fand der Trauerzug zum Friedhof sowie das Begräbnis statt. Rund 2000 Personen waren bei diesem Ereignis anwesend. Nebst Familienangehörigen assistierten die Polnische Lesehalle, polnische Akademiker, polnische Hochschüler, die Erstchargierten der deutschen Korporationen, das Professorenkollegium der Montanistischen Hochschule Leoben (58) (59), der Bürgermeister der Stadt Leoben, Geschäftsleute, Bürger, Beamte. Diese summarische Aufzählung zeigt die gesellschaftliche Verwobenheit der polnischen Studentenschaft im Leobener Stadtleben, was besonders von G. Jontes (60) in seiner Schrift hervorgehoben wird.
Abb.6: Das Grab des Sygmunt Korab Karpinsky, Zentralfriedhof Leoben.
Die Übersetzung:
Absolvent der Bergbau-Akademie
geb. am 21.12.1883, gest. am 28. 3.1914.
Dem geliebten Siegmund.
Die Familie und Braut
Der Ausdruck (Filon) ist mehrdeutig. Entweder ist es ein Spitzname oder sein Name innerhalb seiner Studentenverbindung. Aufnahme: R. Konopasek, Juli 2003.
Wicherkiewicz hatte sich durch Flucht dem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft entzogen. Vor das Leobener Kreisgericht wurden gestellt und am 09.05.14 durch das „Verbrechen der
Teilnahme am Zwei kämpfe nach § 164 StG" zu je zwei Monaten Kerker verurteilt: Thaddäus Ostrovski, Student, aus Galizien, Sekundant von Wicherkiewicz; Karl Szweda, Student, aus Österr.-Schlesien, Sekundant von Wicherkiewicz; Stanislaus Ritter Sulima von Kaminski, Student, aus Galizien, Sekundant von Karpinsky. Das Strafausmaß für Wicherkiewicz, falls man seiner habhaft geworden wäre, ist in den Akten nicht erwähnt. Aufgrund des § 164 StG ist anzunehmen, dass bei tödlichem Ausgang des Zweikampfes der <Todtschläger> mit fünf- bis zehnjährigem Kerker gestraft werden sollte (61) (62).
Nachsatz: In der Literatur (63) findet sich eine Anmerkung, die einen Zusammenhang zwischen Karpinsky und Januschke herstellt. Dort heißt es wörtlich: „Zum nicht nur für Leoben erschütternden Ereignis, vielmehr zu einer österreichischen Affaire wurde das Pistolenduell zwischen dem Sprecher der <Cruxia>, Emil Januschke und dem Ungarn Stefan Maticz ...
Im Kaffee <Greiner>, dem späteren Styria, prallte er (hier ist Januschke gemeint, Anm. d. Verf.) nachts mit einer Ausländergruppe zusammen, der der genannte Stefan Maticz sowie
der Russe Georg Fürst Amiredczibi aus Tiflis und sein Landsmann Isfandiar von Welibekoff angehörten. Die Vertretung dieser Gruppe übernahm der Sprecher der Czytelnia Polska,
Ritter von Karpinski, der dann auch als Sekundant fungierte. Für die von Karpinski geforderte Genugtuung nach dem Offiziersehrenkodex <Bolgár> auf Pistolen wurden Armeerevolver statt der studentischen Vorderlader benützt. Es ist überliefert, dass v. Karpinski für die extremen Duellbedingungen verantwortlich war. Er hasste Emil Januschke aus der Zeit, als dieser als Sprecher des DLV gesamtdeutsche Interessen vertreten hatte ..." In das Studienjahr 1899/1900 setzt der Schreiber der obigen Zeilen sodann als erwähnenswertes Ereignis ... „v. Karpinski hatte Leoben verlassen und verbrachte als österreichicher Offizier längere Zeit in <Festungshaft> in Galizien ..."
Kommentar: In der Geschichte der Leobener akademischen Burschenschaft Cruxia ist kein Hinweis auf die o.a. Verknüpfung zu finden. Ebenso wenig konnte der Autor in den
Tageszeitungen jener Zeit einen verbindlichen Hinweis auf eine Beziehung Januschke-Karpinsky finden.
Beim Vergleich der gegebenen Jahreszahlen fällt die Unwahrscheinlichkeit des erwähnten Zusammenhanges sogleich auf: Das Geburtsdatum von Karpinsky ist mit 21.12.1883 anzusetzen. Im April des Jahres 1899, als das Duell Januschke-Matisz stattfand, war Karpinsky somit knapp 15,5 Jahre alt. Damals wäre er also schon Student in Leoben gewesen (tatsächlich ist Karpinsky erst ab dem Studienjahr 1902/03 als Ordentlicher Hörer im Matrikelbuch verzeichnet)?, hätte als Sekundant für Matisz gewirkt?, wäre Sprecher der Czytelnia Polska gewesen? Und weiter - im Dezember 1900 war Karpinsky 17 Jahre alt, zu dieser Zeit sollte er schon als österreichischer Offizier eine längere Festungshaft in Galizien verbracht haben? All dies ist schwer denkbar. Offenbar warf im vorliegenden Falle die mündliche Überlieferung einige Namen und Jahreszahlen der beiden tragischen Ereignissen
durcheinander.
Der Standpunkt eines Arztes
Als Reaktion auf verschiedene Schuldzuweisungen seitens der Öffentlichkeit hat Herrn Dr. med. J. Grillitsch im Obersteirerblatt (64) eine Stellungnahme zu seiner häufigen
Assistenz als Arzt bei Duellen veröffentlicht. Seine Zeilen, die er nach dem Duell Karpinsky - Wicherkiewicz schrieb, vermitteln einen interessanten Einblick in das Duellwesen
der Studenten in Leoben vor rund hundert Jahren. Demzufolge werden die für die vorliegenden Erörterungen bedeutendsten Kommentare von Dr. Grillitsch (wörtlich, in der
zeitgenössischen Schreibweise) zitiert.
„Es gibt zweifellos sehr viele, die es nicht begreifen werden, dass ich am Duell als Arzt teilnahm, und diese Tatsache sträflich finden werden. Obschon ich mich an die Meinung
dieser Leute nicht halte, glaube ich doch , gut zu tun, wenn ich näher auf die Duellgeschichte eingehe, vielleicht trägt auch das dazu bei, junge Menschenleben zu behüten. Es begann in den letzten Jahren unter den deutschen Studenten die Unsitte einzureißen, oft auch wegen Geringfügigkeiten zur Pistole zu greifen. Oftmals war der Beteiligte nicht in der Lage, Säbel zu wählen, wegen dieses oder jenes Gebrechens. Auch im Falle Karpinski war dies so. Nach Bolgárs Duellregeln trugen die jungen Herren schwere Pistolenpartien aus. Da ich meine Teilnahme versagte, fuhren die Duellanten stets nach Oedenburg, schössen dort unter schweren Bedingungen fern von der Heimat und vertrauten sich einem ganz unbekannten Arzte an. Ja es kam vor, dass man sich ältere Mediziner aus Graz verschrieb. Diese Duelle in Oedenburg, die sehr gefährlich waren und den Eltern der Studenten viel Geld kosteten, ließen mich über die Sache nachdenken. Mir liegt ein junges Menschenleben weit mehr am Herzen als den Gefühlsduslern, die mein Mitwirken am Duell verdammen. Ich sann auf Abhilfe und fand sie, indem ich den Herren, die ein Duell vor sich hatten, sagte, ich sei bereit, ihnen Assistenz zu leisten, wenn sie auf meine Bedingungen eingingen. Ich verlangte als Minimaldistanz 30 Schritte Distanz, nur einmaligen Kugelwechsel, bei 1/2 Gramm Pulver. (Im Bolgár sind 2 Gramm vorgeschrieben!) Ich hatte vorher mit einem im Schießfache sehr versierten Herrn Versuche angestellt und fand, dass die oben genannten Bedingungen das Leben nicht gefährdeten. Und es war so, denn im Laufe der Zeit fanden viele solche Duelle statt, ohne die geringfügigste Verletzung. Hätte ich alle diese Herren nach Oedenburg fahren und nach Bolgar schießen lassen, ich bin versichert, es gäbe eine Anzahl Tote oder Schwerverletzte. Im Falle des Herrn v. Karpinski muß ein Umstand mitgespielt haben, den ich nicht beeinflussen konnte. Herr v. Karpinski versicherte mir wiederholt, dass meine Bedingungen eingehalten seien, als ich ihn zum Kampfplatze begleitete. Er war guter Dinge und beschloß (wie schon öfters), nunmehr endgiltig die Zweikämpfe aufzugeben. Haben sich die Herren bei dem Laden im Pulverausmaß geirrt? Schoß sich Herr v. Karpinski beim Hantieren und Senken der Waffe selber an (65) (66)? Ein trauriges Verhängnis ists und bleibt es, und hoffentlich hören die Duellgeschichten unter den Studenten in Leoben nunmehr endgiltig auf. Die Behörden in Oedenburg sollten ein wenig schärfer einschreiten. Dort schießt man ganz ungeniert auf öffentlichen Plätzen herum. Aber wenn Oedenburg unmöglich wird, findet sich immer ein anderer Platz. Bayern, knapp an der salzburgischen Grenze, St. Gotthardt und andere sind recht beliebt. Alle Eltern, die Söhne in Leoben haben und meine Zeilen lesen, werden mir recht geben. Ich als alter Arzt mit langer Spitalspraxis bin, ohne unbescheiden sein zu wollen, doch geeigneter als ein Mediziner oder Landarzt in Ungarn, um im Notfalle erfolgreich einzugreifen. Und dann waren meine Bedingungen derart, dass nichts geschehen konnte. Ich weiß, wie schrecklich es sein müsste, einen hoffnungsvollen Sohn zu verlieren. Ich weiß auch, wie unnötig die Geldausgaben für die Fahrt nach Ungarn oder Bayern sind, da nicht alle Eltern reich genug sind, und ich habe ehrlich und vernünftig überlegend gehandelt, als ich meine Hand scheinbar dem Duell lieh, dieselbe aber doch schützend über die mir so liebe Studentenschaft Leobens hielt."
Hier muss jedoch hinzugefügt werden, dass nach dem o.a. Gerichtsakt die Ladung der Pistolen jeweils 0,75 g und die Distanz zwischen den Kontrahenten lediglich 25 Sprung schritte betrug.
Die Tragödie der beiden hier geschilderten Duelle und das millionenfache Sterben im I. Weltkrieg trugen wohl dazu bei, den Zweikampf im beschriebenen Sinne in die Vergangenheit
abrücken zu lassen.
Für wertvolle Hinweise sowie Hilfestellung bei der Auffindung von Quellenmaterial bedankt sich der Autor bei
Verwendete Literatur
Tageszeitungen
Anmerkungen
Quelle: res montanarum 32/2004