Quelle:
Eduard Dolezal o. ö. Professor an der k. k. technischen Hochschule in Wien
ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR VERMESSUNGSWESEN
ORGAN DES VEREINES DER ÖSTERR. K. K. VERMESSUNGSBEAMTEN
Redaktion: Prof. E. Dolezal und Bauinspektor S. Wellisch,
8 Nr. 10, S. 323-326 - Wien, am 1. Oktober 1910. - VIII. Jahrgang.
Die k. k. Montanistische Hochschule in Leoben hat in diesem Jahre (1910) einen harten und schwer zu verwindenden Verlust erlitten; Bergingenieur Florian Lederer, Professor der Geodäsie und Markscheidekunde, ist ihr am B. Mai durch einen allzufrühen Tod entrissen worden.
Am 22. März 1876 als Sohn eines Gewerbetreibenden in Leoben geboren, hat auch er, dem genius loci folgend, sich der montanistischen Laufbahn gewidmet.
Der kränkliche Körper des hochbegabten Knaben vermochte aber nicht leicht den Anforderungen zu entsprechen, welche ein strebsamer Intellekt und die beschränkten Lebensverhältnisse an ihn stellten. Lederer mußte das Gymnasium seiner Vaterstadt verlassen und privat weiterstudieren; dennoch bestand er sein Maturitätsexamen mit Auszeichnung und inskribierte im Jahre 1896 an der Abteilung für Bergwesen der Leobener Bergakademie.
Trotz wiederholter Schwächezustände, welche ein schleichendes Lungenleiden bei dem Jünglinge verursachte, trotz mehrfacher anderer Hemmungen bestand Lederer im Herbste 1899 die Staatsprüfung für Bergwesen mit ausgezeichnetem Erfolge.
Als Student gehörte der für alle idealen Werte hochbegeisterte junge Mann der studentischen Verbindung "Lesehalle" an und ist auch dieser Körperschaft (gegenwärtig "Erz") als alter Herr treu geblieben.
Da Lederer einsah, daß er den Strapazen der praktischen Arbeit in der Grube nicht gewachsen sei, entschied er sich für den Lehrberuf in der Geodäsie, zu dem ihn seine mathematische Begabung besonders befähigte.
Mit Begeisterung begann er in dieser Richtung seinen Studiengang und ging zu Prof. Klingatsch an die Technische Hochschule nach Graz; aber sehr balt mußte er seines leidenden Zustandes wegen, der ihn zwang, im Süden Erholung zu suchen, seine Studien unterbrechen. Der Aufenthalt an der schönen Adria war von der besten Wirkung und neugekräftigt kam Lederer im Mai 1900 nach Leoben zurück, wo er sich an den großen Vermessungsübungen der Hörer der praktischen Geometrie in St. Peter-Freyenstein als Volontär beteiligte. Hiebei bot sich mir vielfache Gelegenheit, mich von seinem reichlichen Wissen, seiner unbeugsamen Willenskraft und seinem strebenden Schaffensdrang zu überzeugen.
Als die Stelle eines Assistenten bei meiner Lehrkanzel für praktische und darstellende Geometrie frei wurde, bewarb sich Lederer um dieselbe und erhielt sie auch zu meiner großen Befriedigung im August 1900 auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Professorenkollegiums.
Als Assistent ging er voll und ganz in dem Wirkungskreis auf, welchen ihm seine Stellung einräumte und arbeitete daneben unverdrossen und zielbewußt weiter an seiner theoretischen und praktischen Ausbildung.
Lederer's wahrhaft mustergültige Tätigkeit als Hochschul-Assistent wurde allgemein anerkannt und so kam es, daß er bereits nach zwei Jahren am 25. November 1902 zum Adjunkten bei meiner Lehrkanzel ernannt wurde, was insbesondere der tatkräftigen Initiative des leider nur allzu früh verstorbenen Herrn Sektionschefs Dr. Friedrich Zechner zu verdanken war.
Da ich in Lederer einen Mann erkannte, der alle Eigenschaften, die das schwierige akademische Lehramt erfordert, im vollsten Maße in sich vereinigte, trachtete ich, ihm so viel als möglich Gelegenheit zur Erweiterung und zur Befestigung seines Wissens zu verschaffen.
Mit Unterstützung des k. k. Ackerbauministeriums konnte er eine Reise zum Studium der damaligen großen Tunnelbauten in den Alpen unternehmen, eine zweite Reise galt dann dem Brüxer Kohlenrevier und den trefflich eingerichteten Markscheidereien in Pribram, Mähr.-Ostrau und Teschen.
Im Jahre 1904 wurde die darstellende Geometrie von meiner Lehrkanzel abgetrennt und die logisch und organisch begründete Vereinigung der Geodäsie und Markscheidekunde durchgeführt. Lederer wurde zum Adjunkten dieser neuen Lehrkanzel ernannt und als ich im Studienjahre 1905/6 der Berufung an die k. k. Technische Hochschule in Wien Folge leistete, wurde er mit der Supplierung meiner Lehrkanzel betraut, was wohl den deutlichsten Beweis des ihm allseits entgegengebrachten Vertrauens bildet, da Lederer damals erst 29 Jahre alt war. Nachdem er die Lehrkanzel durch zwei Jahre in einer für sein jugendliches Alter vorzüglichen Weise geführt hatte, wurde er mit Allerhöchster Entschließung vom 10. Oktober 1907 zum a. o. Professor ernannt.
Lederer gab sich mit nimmermüder Willensstärke und mit jener aufopfernden Liebe, die die Grundbedingung für eine erfolgreiche akademische Tätigkeit bildet, den Aufgaben seines ernsten und aufreibenden Berufes hin und beteiligte sich intensiv an den Arbeiten in den montanistischen Vereinen, insbesondere der Sektion Leoben des Berg- und Hüttenmännischen Vereines für Steiermark und Kärnten und des Deutschen Markscheidervereines.
Außerdem veröffentlichte er mehrere wissenschaftliche Arbeiten; es seien angeführt:
Schon im Jahre 1906 hatte sich Lederer mit Fräulein Lukretia Boschitz, einer Tochter des verstorbenen Bergingenieurs und Markscheiders Herrn Gottlieb Boschitz in Holzleithen in Oberösterreich vermählt und fand in der angenehmsten Häuslichkeit Erholung von seiner rastlosen beruflichen und wissenschaftlichen Tätigkeit.
Im Jahre 1909 trat sein altes Leiden wieder heftiger auf, da er sich bei einer mit den Hörern der Hochschule unternommenen markscheiderischen Übung im Neptunschachte des Bergbaues im Tollinggraben eine schwere Verkühlung zugezogen hatte und mußte er im Herbste einen Erholungsurlaub antreten, den er größtenteils zu Hörgas in Steiermark in einem Sanatorium verbrachte; für einige Zeit ging er auch an die Adria nach Abbazia.
Am 16. April kehrte er nach Leoben zurück und wollte — im trügerischen Glauben an eine Besserung seines Zustandes — sein akademisches Lehramt wieder antreten; er vermochte es aber tatsächlich nicht mehr, wieder im Hörsaale zu erscheinen und schon am 8. Mai erlag er seinem tückischen Leiden.
An seiner Bahre trauerte seine junge Frau und ein zartes Töchterchen, die Freude seiner letzten Tage, an seiner Bahre trauerte aber auch die Leobner Hochschule und die montanistische Wissenschaft, die in ihm einen tüchtigen Lehrer und einen zu stolzesten Hoffnungen berechtigenden Gelehrten verloren.
Unter besonders zahlreicher Beteiligung aus den Kreisen der Professoren, der Studentenschaft und der Leohner Bürger, mit denen er als treuer Sohn seiner deutschen Mark vielfache Beziehungen hatte, wurde Lederer am 10. Mai 1910 zu Grabe getragen.
Tiefgefühlte Worte der Anerkennung und des Schmerzes wurden ihm von seinem Kollegen Prof. Schraml und dem Studenten Kudlarz nachgerufen. Der Lehrkörper der Hochschule veranstaltete eine erhebende Trauertrier unter regster Beteiligung der Studentenschaft und sprachen bei dieser Gelegenheit Seine Magnifizenz der Rektor Professor Dr. Engelbert Kobo1d und stud. mont. Fillunger, die in beredten Worten das außerordentliche Lehrtalent, die gründlichen Fachkenntnisse, den edlen Charakter, das ernste Pflichtgefühl und die liebevolle Hingebung des allzu früh Dahingegangenen priesen.
Auch mich drängt es, meinem lieben Schüler und Freunde über das Grab hinaus einen letzten Abschiedsgruß zuzurufen.
Armer Lederer! Von Dir erwarteten Lehrer und Kollegen, daß die rastlose Arbeit, welche Dein strebsamer Geist einem kranken Körper abnötigte, auch goldene Früchte der Lehre und der Wissenschaft zeitigen werden, aber es sollte nicht sein.
Du sankst dahin, ein stolzer Baum, vom tückischen Wurm ins Mark getroffen, noch ehe die wunderbare Fruchtfülle heranreifen konnte, die der reichliche Blütenschmuck verhieß.
Deine Frau, Dein zartes Kind sind verwaist, die Hochschule, an der Du mit solcher Liebe hingst, sucht schmerzerfüllt nach einem Ersatz für eine Kraft, die wohl nur schwer zu ersetzen sein wird.
Aber in das unvermeidliche Schicksal muß der schwache Mensch sich fügen.
So leb' denn wohl, Florian Lederer! Du bist dahingegangen, aber ein treues Gedenken an Dich wird dauernd wohnen nicht nur in dem Herzen der Deinen; nein, in dem Herzen aller, denen Du Freund und Lehrer warst, oder die Gelegenheit hatten, Dein großes, edles Herz zu erkennen!